Das xABCDE Schema beschreibt den Untersuchungs- und Behandlungsablauf an einem Patienten. Es ist das erste Schema, das der auszubildende Notfallsanitäter lernt und anwenden muss. xABCDE ermöglicht ein sicheres, einheitliches und prioritätenorientiertes Handeln im Rettungsdienst und wird in ganz Deutschland (mit kleinen regionalen Unterschieden) gleich ausgebildet. Dieser Beitrag beschreibt die Bedeutung der einzelnen Buchstaben des Schemas und die Konsequenzen, die aus den Untersuchungsergebnissen gezogen werden sollten.
Treat first, what kills first.
Behandle zuerst das, was zuerst tötet.
xABCDE - nicht mal 20
Die Geschichte des wichtigsten Schemas im Rettungsdienst
Dieses Schema folgt schon immer einem bestimmten Grundsatz: behandle zuerst das, was den Patienten am ehesten töten kann. 1957 kam diese Idee das erste Mal in den USA vor. Der Anästhesist Peter Safar schrieb in seinem Buch „ABC of Resuscitation“ darüber, dass das Outcome für die Patienten anscheinend immer besser ist, wenn man sich unabhängig von der Sitaution zuerst einmal um den Atemweg kümmert. Diese Meinung wurde im Rahmen der Reanimation heutzutage bereits überholt, aber für alle anderen Situationen in der Notfallmedizin war dies die Geburtsstunde für ein einheitliches Schema, das bis heute fest in den Leitlinien verankert ist.
16 Jahre später, also 1973, nahm die AHA (American Heart Association) diesen Ansatz dann in ihre offizielle Heransgehensweise für die kardiopulmonale Reanimation auf und publizierte diese. Die breite Menge der Institutionen in der Notfallmedizin nahm die Idee des ABC Schemas an und entwickelte diese weiter, bis dann im Jahre 2005 das ABCDE Schema durch den Wiederbelebungsrat Großbritanniens veröffentlicht wurde.
Ein Jahr darauf wurde dann durch einen Mediziner namens TJ Hodgetts das cABCDE Schema ins Leben gerufen (c steht für critical bleeding). Er hat erkannt, dass die Blutstillung noch wichtiger ist als die Sicherung des Atemweges.
Heute allerdings arbeiten wir immer mehr nach den Vorgaben von PHTLS (Pre Hospital Trauma Life Support), das in seiner Definition das cABCDE zum xABCDE umgewandelt hat (x steht für Exsanguation, also „Ausbluten“).
Ablauf im Einsatz: primary, secondary survey
Um schnell eine möglichst genaue initiale Beurteilung über den Zustand des Patienten zu erlangen, ist das xABCDE Schema in ein Primary und ein Secondary „Survey“ aufgeteilt (erster und zweiter Untersuchungsgang). Beim Primary Survey liegt der Fokus darauf, innerhalb kürzester Zeit die wichtigsten Vitalparameter des Patienten zu erheben und auf Grundlage derer Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen. Um nach dem Abschluss des Primary Surveys alle Teammitglieder auf den gleichen Stand zu brigen und über das weitere Vorgehen aufzuklären, empfiehlt es sich nun ein 10-für-10 durchzuführen (10 Sekunden für 10 Minuten,). Der Transportführer informiert über die Untersuchungsergebnisse, verteilt Aufgaben im Team, gibt den Teammitgliedern Raum für Fragen und stellt fest, ob der Patient kritisch oder nicht kritisch ist und ob ggf. ein Notarzt oder ein RTH (Rettungshubschrauber) nachalarmiert werden muss.
Im Secondary Survey wird das xABCDE Schema nun erneut abgearbeitet und geprüft ob im Primary Survey bereits ergriffene Maßnahmen wie die Blutungsstillung oder die Sauerstoffgabe Erfolg zeigen. Weiterhin wird eine gründlichere apperative Diagnostik etabliert (EKG, oszillometrischer Blutdruck), erweiterte Maßnahmen zur Therapie des nun erkannten Krankheitsbildes und zur Schmerztherapie ergriffen (Zugang, Medikamente) und eine gründliche Anamnese (SAMPLERS, OPQRST) duruchgeführt.
Diagnose im xABCDE Schema
x
Exsanguation
- Kritische äußere Blutungen vorhanden?
A
Atemwege
- Mund-Rachen-Schau (Erbrochenes, Blut, etc.)
- Atemwege sind frei?
- pathologische Atemgeräuche hörbar?
- Inspektion der Halsvenen
- Prüfung auf Verletzungen an HWS
B
Belüftung
- Atemfrequenz, Atemmuster
- bds. Auskultieren (Stridor, Rasseln, etc.)
- Zyanose, Prellmarken, Thoraxexkursionen
- SpO2 (Sauerstoffsättigung), Sauerstoffgabe
- Thoraxentlastungspunktion
C
Circulation (Kreislauf)
- Rekapillarisierungszeit (Rekap.)
- Puls (Frequenz, Qualität, Rythmus)
- EKG, Herzfrequenz, Blutdruck
- Hautkolorit, -temperatur, Schweiß
- Blutungsräume, Beckenschlinge
D
Disability (Neurologie)
- Pupillenreaktion (Größe, Lichtreaktion)
- GCS (Glasgow Coma Scale), WASB
- Blutzuckerkontrolle
- DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität)
- BE-FAST (Schlaganfall-Diagnostik)
E
Exposure bzw. everything else
- Temperaturmessung
- Bodycheck (ggf. reevaluieren)
- SAMPLERS Schema (gründliche Anamnese)
- Unfallmechanismus beurteilen
Im Detail...
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x
Exsanguation
Im allerersten Schritt des Schemas geht es um das Erkennen und das sofortige Stillen von kritischen äußeren Blutungen. Den Beitrag dazu gibt es hier.
Atemwege (Airway)
Als Zweites gilt es sicherzustellen, dass die Atemwege des Patienten frei sind, frei bleiben und gesichert werden. Wie man prüfen kann, ob die Atemwege frei sind, welche nicht-invasiven Maßnahmen es gibt und was passiert, wenn diese nicht helfen: das und mehr im Beitrag zum Buchstaben A.
A
B
Belüftung (Breathing)
Wurde in A ein gesicherter Atemweg erkannt oder etabliert (egal ob durch die Schutzreflexe des Patienten oder durch von uns ergriffene Maßnahmen), gilt es nun festzustellen, ob und wie der Gasaustausch in der Lunge funktioniert. Dazu haben wir im Rettungsdienst einige Möglichkeiten und Maßnahmen, die wir dafür ergreifen können. Das und mehr beschreibe ich in diesem Beitrag.
Circulation (Kreislauf)
Hier wird die Herz-Kreislauf-Situation des Patienten beurteilt. Bevor dies mit einem Manometer zur Messung des Blutdrucks passiert oder ein EKG angelegt wird, um das Herz zu beurteilen, gibt es hier einige andere Parameter zu beachten, die bereits auf den ersten Blick und ohne jede Technik Aufschluss auf den groben Status des Patienten geben. Wie das geht und welche Konsequenzen aus den Untersuchungsergebnissen gezogen werden, steht in diesem Beitrag.
C
D
Disability (Nerologische Defizite)
Der Inhalt des Buchstaben D ist es, die neurologische Situation zu bewerten. Hier geht es darum zu überprüfen, ob irgendwo eine Schädigung oder Beeinträchtigung von Nervenzellen z.B. durch eine Blutung oder durch einen Verschluss in einem Gefäß, Krampfanfällen, Hyper- oder Hypoglykämie (zu viel oder wenig Zucker im Blut) vorliegt. So vielseitig wie die Untersuchungsergebnisse hier sein können, so wichtig und teilweise zeitkritisch sind auch die Maßnahmen, die sich daraus ergeben. Mehr dazu hier.
Exposure bzw. everything else (alles andere)
Hier fließt alles mit ein, das wichtig für die (weitere) Behandlung und den Transport des Patienten ist. Unter Anderem wird hier die Temperatur des Patienten gemessen und gleichzeitig an den Wärmeerhalt gedacht (wenn nicht bereits erfolgt ist), eine gründliche Anamnese wird durchgeführt oder vervollständigt und der Patient wird spätestens hier ggf. immobilisiert. Mehr über E-Maßnahmen findest du in diesem Beitrag.
E
Fortsetzung folgt...
Quellen
Mitschriften & Präsentationen aus meiner Rettungsdienstschule
Recherche
https://www.c-abc.de/, 27.11.2023,
Schemata im Rettungsdienst (Wikipedia), 23.11.2023
SAA_und_BPR_2023, 27.11.2023
Trauma-induzierte Koagulopathie: wehrmed.de, 27.11.2023
Fremdkörperaspiration: AMBOSS.de, 27.11.2023